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"I´m so gay!" von Barbara Willich
"I´m so gay!"
von Barbara Willich
Voller Energie stand er auf seinem Dung. Die Brust voller Stolz geschwellt, die kräftigen Beine in den Mist gestemmt, den Kopf dramatisch in den Nacken geworfen, sang er seine Liebeslieder in die milde Sommerluft hinaus.
Oh, er fühlte sich phantastisch! Seit Oscar, der junge Hahn, auf den Hof gekommen war, kannte sein Glück keine Grenzen mehr – Dieter, der alte Gockel, war verliebt, verliebt, verliebt...
War das Leben nicht einfach wunderbar? Von früh bis spät hätte er singen und frohlocken können, um der ganzen Welt sein Glück zu erzählen.
Denn was ist schöner, als in diesem herrlichen Sonnenschein mit dem reizenden Geliebten gedankenverloren im Hof umherzuschlendern, sich zärtliche Liebesworte ins Ohr zu hauchen und sich manchmal, nicht ganz so gedankenverloren, darüber zu amüsieren – außer Hörweite der anderen, versteht sich – wie die dummen Hennen ihre Hälse strecken und sich regelrecht maßlos ärgern.
Oder sich von Oscar, diesem kleinen Schlingel, kneifen und zwicken zu lassen … um dann in einem unbeobachteten Moment schnell miteinander hinter dem Kuhbrunnen zu verschwinden. Oh…!
Sollen die alten Weiber doch vor Wut umfallen. Ihnen hat er schon viel zu viel Zeit und Mühe schenken müssen.
Nie wieder! Sollen die doch selber schauen, wie sie an ihren Nachwuchs kommen. Nie wieder dieses dämliche Liebesgeschwätz dieser Tussis, ihr widerlicher Duft, ihre nichtigen weiblichen Albernheiten, und vor allem nie wieder diese Horden gelben Gewusels, das aus allen Ecken und Winkeln "Papa" schreit. Er war fertig mit diesem Thema, ein für alle Mal.
Jetzt zählte nur noch das homo-gockelerotische sommerleichte Vergnügungsprinzip!
Allerdings hatte er hier die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Bauer, schon lange genervt über den Liebeslärm auf dem Misthaufen, wollte nicht länger ignorieren, daß der alte Hahn sich weigerte, der erwartungsvollen Hühnerschar gegenüber seine Pflichten zu erfüllen.
Und den teuer erworbenen Neuzugang schien er auch nicht entsprechend anzuleiten.
Da für Produktionsrückgang wegen sexueller Abstinenz keine EU-Agrarsubventionen vorgesehen sind, sah sich der Bauer gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen: er trennte die beiden Verliebten voneinander und sperrte sie mit den aktivsten Vertreterinnen der weiblichen Zunft in einen Käfig.
Schwierige Zeiten begannen für die zwei Helden.
Sie litten unendlich – kein Dichter findet die Worte, um ihre Tortur auch nur annähernd zu beschreiben. Aber unerschütterlich blieben sie sich und ihrer Liebe treu. Nur Oscar, noch recht unerfahren in Liebesdingen, probierte wohl so hier und da ein wenig herum, erkannte aber recht schnell, daß dies nicht seine eigentliche Bestimmung sein konnte.
Letztendlich musste der Bauer seine Niederlage anerkennen.
An einem Freitagmorgen, noch bevor es richtig hell geworden war, betrat er, grimmig entschlossen, den Stall, das scharf geschliffene Schlachtmesser im Kittel versteckt…
Am folgenden Sonntag gab es beim Bauern Hähnchen Provençale. Der alte Familienkochtopf, der eigens für diesen Zweck aus der Kammer geholt wurde, war groß genug für beide Vögel: und so waren die beiden Geliebten schließlich für eine gute Stunde glücklich miteinander vereint.
Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden Gockeln sind, wie immer, rein zufällig und selbstverständlich unbeabsichtigt.
Wie denn auch.